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Bericht aus der Die Mitte | EVP-Fraktion und dem Grossen Rat vom 14. August 2024 von Kantonsrätin Sabina Peter Köstli, Hüttwilen

7. Oktober 2024

Bereits vor und jetzt auch nach der Sommerpause war eine Ganztagessitzung angesagt. Dabei bestand diesmal über Mittag die Möglichkeit, sich zum Open Government Data Kanton Thurgau informieren zu lassen. Die nach aussen publizierten offenen Verwaltungsdaten können für die politische Arbeit oder von Dritten genutzt werden. Sie bieten unter anderem die Möglichkeit, Fragestellungen zum Abstimmungsverhalten der Kantonsrätinnen und Kantonsräte zu ermitteln.

Bei den ersten drei Traktanden standen die Redaktionslesungen und Schlussabstimmungen auf dem Programm. Gemäss Norbert Senn (Die Mitte, Romanshorn), Präsident der Gesetzgebungs- und Redaktionskommission, gab es kaum Anpassungen. Trotz mehrfacher Intervention des Romanshorner Stadtpräsidenten Roger Martin (Die Mitte) wurde erwartungsgemäss die Abschaffung der Liegenschaftensteuer beschlossen. Das letzte Wort dazu haben wird das Volk, nachdem das Behördenreferendum mit 45 von notwendigen 30 JA-Stimmen gutgeheissen wurde.

Anschliessend wurde über die Rechenschaftsberichte 2023 des Obergerichts, des Verwaltungsgerichts und der Rekurskommission in Anwaltssachen befunden. Es zeigte sich, dass die Komplexität in gewissen Rechtsbereichen stetig zunimmt und dass die Digitalisierung auch hier eine Herausforderung ist.

Diskussionen kamen auf bei der Interpellation „Kosten-Nutzen einer ISO27001-Zertifizierung im AFI Thurgau“, die unser IT-Crack Patrick Siegenthaler (Die Mitte, Herdern) eingereicht hat. Der Kantonale Führungsstab (KFS) hat Cyberangriffe als eines der Hauptrisiken für die kantonale Verwaltung Thurgau definiert. Seine Forderung, dass das Amt für Informatik für die Cybersicherheit eine Re-Zertifizierung erwirbt, stiess im Gegensatz zur Regierungsmeinung auf mehrfache Zustimmung. Eine Zertifizierung an sich schafft allerdings nur sehr bedingt Sicherheit. Die zentrale Frage ist, wie Prozesse, Richtlinien und Best Practices im Alltag tatsächlich umgesetzt werden, was eine Führungsaufgabe darstellt.

 

Mit einer gewissen Betroffenheit diskutiert wurde die Interpellation „10-Millionen-Schweiz – wie bewältigen wir das?“, bei welcher Simon Wolfer (Die Mitte, Weinfelden) beteiligt war. Klar wurde, dass es um eine riesige, anspruchsvolle Herausforderung mit Chancen geht, wie z.B. der Zuwanderung von Fachkräften für unsere Wirtschaft, allerdings auch Risiken wie der Überalterung unserer Bevölkerung und der Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur.

Während der Debatte dieses Vorstosses schrillte um 11.00 Uhr die Alarmglocke. Mit dem passenden Kommentar „Lehre bildet Geister, doch Übung macht den Meister“ (deutsches Sprichwort) des Grossratspräsidenten Peter Bühler (Die Mitte, Ettenhzausen) waren alle Anwesenden angehalten, an der Evakuierungsübung teilzunehmen.

Als nächstes wurde über die Interpellation „Licht in die Dunkelkammer der Fonds“ beraten. Auch wenn es seitens SVP in Abrede gestellt wurde, schien es den Vorstössern um die vermeintlich nicht korrekten und am Volk vorbeigeschmuggelten Entnahmen aus dem Biodiversitäts- und Energiefonds zu gehen. Dies brachte unseren Energiepapst Josef Gemperle (Die Mitte, Fischingen) entsprechend in Rage und liess ihn zum Rednerpult schreiten. Fraktionssprecher Andreas Guhl (Die Mitte, Oppikon) hielt klar fest, dass es sich um Spezialfinanzierungen und gebundene Ausgaben handle, für welche eine entsprechende gesetzliche Grundlage vorhanden sei. Auch der zuständige Regierungsrat Urs Martin bestätigte die Konformität.

Hohe Wellen schlug die Motion „Gemeindeautonomie und das Milizsystem stärken, die Idee aus der Bundesverfassung in die Kantonsverfassung übertragen“, an welcher Hans Feuz (Die Mitte, Altnau) und Sabina Peter Köstli (Die Mitte, Hüttwilen) beteiligt waren. Die Gemeinden sollten gemäss den Vorstellungen der Vorstösser darüber entscheiden, ob auf kommunaler Ebene das Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer eingeführt wird. Sie versprachen sich eine Stärkung der Demokratie und ein aktives Einbringen von engagierten Persönlichkeiten. Die Gemeinden sollten dazu Vorgaben erlassen. Die Gegner hingegen befürchteten einen Freipass für die Einführung des Ausländerstimmrechts auf kantonaler und nationaler Ebene. Es wurde befunden, dass 80 potenzielle Regelungen im Thurgau nicht sinnvoll seien – auch wenn die Gemeinden zum Beispiel über unterschiedliche Gemeindeordnungen verfügen –  und dass zwei parallel geführte Stimmregister (aktives und passives Wahlrecht) den Staatsapparat aufblähen würden. Dazu bestehe die Möglichkeit der ordentlichen Einbürgerungen. Letztendlich wurde diese Vorlage mit 61 Nein- zu 45 Ja-Stimmen abgelehnt.

Die Antwort zum Vorstoss „Netto Null 2040 für die kantonale Verwaltung“ wurde insgesamt gut aufgenommen. Mitinterpellant Josef Gemperle (Die Mitte, Fischingen) war zwar nicht einverstanden mit der unvermittelten Kürzung verschiedener Leistungen aus dem Energieförderprogramm. Dennoch attestierte er, dass der Kanton auf Kurs und der Regierungsrat gewillt sei, ab 2040 mindestens Netto-Null-Emissionen aufzuweisen. Es sei eine Fokussierung auf das Wesentliche anzustreben. Regierungsrat Dominik Diezi hielt fest, dass ein realistischer Massnahmenplan für den Kanton und die kantonale Verwaltung entwickelt werden soll.

Beim letzten Traktandum, der Interpellation „Sexuelle Übergriffe im Umfeld der katholischen Kirche: Aufarbeitung gefordert“ machte sich Betroffenheit breit über die Vielzahl an Missbrauchsfällen und Opfern, die meist ein Leben lang leiden. Es wurde darauf hingewiesen, dass es aufgrund der zahlreichen Kirchenaustritte im ureigensten Interesse der Katholischen Landeskirche liegen müsse, das Vertrauen möglichst schnell wiederherzustellen. Kirchenrätin Corinna Pasche-Strasser (Die Mitte, Bischofszell) wies denn auch darauf hin, dass die Verhinderung sexueller Übergriffe höchste Priorität in der Katholischen Landeskirche Thurgau und im Bistum Basel habe. Die Präventionsarbeit werde konsequent weitergeführt, um den Missbrauch in den eigenen Reihen mit weiteren Massnahmen noch entschiedener zu bekämpfen.

Mit einer Ausnahme konnten an diesem langen, heissen und teilweise hitzigen Sitzungstag alle Traktanden abgetragen werden.